Abbildung 130
Schimon ben Jochai
„Besitzer der Perle des Lichts“
Quelle: H. Werner, „Kabbala“; Komet Verlag, o. Jz.
Urheber: Nicht benannt
Bildbearbeitung und Text: O. Jung
Simon ben Jochai lebte im 2. Jh. n. Chr. und war ein Schüler des Rabbi Akiba. Er weihte ihn in die Geheimnisse der Geheimnisse ein. Das waren die „Perlen des Lichts“ welche die Eingeweihten wie
ihren Augapfel hüteten. Nur Auserwählten wurden sie mitgeteilt. Darum heißt es in der Kabbala:
„Als die ganze Nation zerstreut war und die heiligen Traditionen verloren gingen, versammelte ein verehrungswürdiger Rabbi namens Simeon ben Jochai um sich herum die letzten die in die uralte
Weisheit eingeweiht waren und entschloss sich, ihnen das Buch der Geheimnisse zu erklären. Alle kannten den Text auswendig, allein Rabbi Simeon kannte den tieferen Sinn des Buches, das bisher von
Mund zu Mund fortgepflanzt worden ist und von Gedächtnis zu Gedächtnis, ohne dass man es jemals erklärt oder niedergeschrieben hatte".
Rabbi Simeon sagte: »Wehe dem, der glaubt, die Tora enthielte gewöhnliche Worte und weltliche Erzählungen! Wenn dies der Wahrheit entspräche, wäre es uns auch heute noch unbenommen,
eine Tora herzustellen, die mehr Bewunderung erregt. Wir müssten zu diesem Zweck nur aus den verschiedenen Büchern weltlicher Gesetzgeber und Moralschriftsteller die herausragendsten und erhabensten
Stücke entnehmen und aus ihnen eine neue Tora zusammenstellen.
In Wahrheit aber liegt in jedem Wort der Tora ein tiefes Geheimnis verborgen, das in menschlichen Worten eingekleidet ist. Alles, was von oben kommt, muss erst, damit es für uns
verständlich wird, eine irdische Hülle erhalten. Gleichsam wie die ersten Engel Gottes, wenn sie auf die Erde gesandt wurden, sich zuvor in menschliche Hüllen kleiden mussten, so konnte die heilige
Tora, die ja zu unserem Gebrauch bestimmt ist, um uns fasslich zu werden, eines irdischen Kleides nicht entbehren. So bekam sie ein solches!
Die Erzählungen die sich in ihr finden, sind eine Einkleidung der höheren Lehren. Es gibt ja nur törichte Menschen, die, wenn sie einen schön gekleideten Menschen sehen, schon mit
diesem Anblick zufrieden sind und über dem Kleid den Körper vergessen. Von solchen Menschen kann man nicht erwarten, dass sie die Seele zu würdigen und zu schätzen wissen, obwohl doch der Wert des
Körpers hauptsächlich von dem Zustand seiner Seele abhängt. Ebenso verhält es sich mit der Tora: Die Erzählungen sind ihr Kleid. Die aus ihnen hervorgehende Moral ist ihr Körper, während der
verborgene, geheimnisvolle Sinn die Seele der Tora ist.
Die Narren halten die Erzählungen selbst schon für den Körper der Tora und dringen überhaupt nicht tiefer hinein. Die Verständigen sehen auch das, was das Kleid umschließt, nämlich
die in den Erzählungen enthaltene Morallehre. Die wirklichen Weisen aber richten ihr Augenmerk ganz allein auf die Seele der Tora, welche die verborgenen übersinnlichen Lehren enthält. Sie allein
sind dazu bestimmt, in der zukünftigen Welt die Seele dieser Seelen anzuschauen, welche in der Tora atmet.
Wenn die Tora nur gewöhnliche Worte und Erzählungen enthielte, wie z. B. die Worte Esaus, Labans, Hagars, der Eselin Bileams oder Bileams selbst, ohne dass den Worten ein tiefer Sinn
innewohnte, wie würde die Tora dann die Lehre der Wahrheit, die vollkommene Lehre oder das treue Zeugnis Gottes heißen dürfen? Warum würde man sie dann höher als Gold oder Perlen achten? In Wahrheit
aber birgt jedes ihrer Worte einen höheren Sinn! Jede Erzählung enthält weit mehr als die Begebenheiten, die sie lediglich zu berichten scheint. Und dieses mehr ist eben die höhere und heilige Lehre,
die wahre, aber verborgene Tora!“